Trotz Prügel und Misshandlung

Harald Miesem schaffte die Wende

Seine Kindheit und Jugend waren traumatisch. Zerrüttete Familie, dann brutale Heimerzieher. Wie unser Zeitungszusteller Harald Miesem sein Leben trotzdem in den Griff bekam, schildert er in seiner Autobiografie. Von Reinhard Schmitz

Ständige Prügel und Misshandlungen. Die Kinderseele musste viel einstecken. Der ständig betrunkene Stiefvater schlug dem Zehnjährigen gar die Zähne aus. Halb verhungert, steckte ihn die Fürsorge in ein Kinderheim. Doch da wurde es nicht besser. Im Gegenteil. Bei seiner Odyssee durch die Einrichtungen der Republik musste Harald Miesem — bis auf eine Ausnahme in Bottrop — die brutale Willkürherrschaft der Erzieher spüren.

In dem Manuskript stecken drei Jahre Arbeit

Spät, aber nicht zu spät, bekam er trotz aller traumatischen Erlebnisse sein Leben doch noch in den Griff. Und dass, so sagt der 68-Jährige, verdanke er einem Traum, in dem ihm Gott begegnet sei: „Erst der Glaube hat die ersehnte Heilung gebracht.“

Den steinigen Weg bis zu diesem Wendepunkt und danach, als er als gestandener Mann sogar wieder das Lachen lernte, schildert Harald Miesem in seiner Autobiografie. Drei Jahre Arbeit hat er in das Buch mit dem Titel „Ich bin doch eigentlich ganz anders!“ gesteckt.

Der Hauptgrund, es zu schreiben, war: „Wenn ich einen Tiefpunkt hatte, haben mir Bücher von Menschen, die ähnliche Erfahrungen hatten, unheimlich geholfen.“ Das möchte er weitergeben. Denn seit er Christ sei, sei er oft Ratgeber für andere Betroffene.

Lektorin lobt „Mut und große Offenheit“

„Als ich den Buchentwurf das erste Mal las, kämpfte ich oft mit den Tränen, so sehr fühlte ich mit dem kleinen Jungen, der so viel Schlimmes erlebte“, heißt es im Vorwort der Lektorin Stefanie Arnold-Röhm. Mit Mut und großer Offenheit“, habe sich der Autor seiner Kindheit und Jugend gestellt. Trotzdem gestaltete Sich die Suche nach einem Verlag nicht einfach. Immer wieder verschickte Harald Miesem sein Exposee mit einem ausgewählten Kapitel: „Damit die sehen, in welche Richtung mein Buch geht.“

Doch mehr als die Hälfte der Unternehmen meldete sich nicht einmal zurück. Inhaltlich äußerte sich nur ein einziger Verlag: „Es passt vom Konzept her nicht“. Nach sieben vergeblichen Versuchen entschied sich der Zeitungsbote deshalb, sein Werk im Selbstverlag beim Verlag Tredition (Hamburg) herauszugeben. Das Schöne sei, dass man dort auch den Titel und das Layout selbst gestalten könne. Zunächst erschien das E-Book (6,99 Euro), dann die Hardcover-Version (20 Euro) und ein Taschenbuch (14 Euro). „Das kann man in ganz Europa online bestellen.“

Das Gefühl, das erste Probe-Exemplar in der Hand zu halten, beschreibt Harald Miesem „wie so eine leichte Geburt“. Unterdessen arbeitet er schon an seinem nächsten Manuskript – ein Hundebuch über die Streunerin Jessy aus Rumänien, die 2019 über die Regenbogenbrücke gegangen ist. Es schreibt sich schneller. Zwölf Kapitel sind schon fertig.

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