Der Schwerter Reiner Teistler ist einer von 1.300 Zeitungs-zustellern bei Lensing Logistik. Geschichten wie seine gibt es aber vermutlich nicht viele.
Wenn Reiner Teistler morgens um 3 Uhr mit seiner Arbeit beginnt, startet für den Zeitungs- und Briefzusteller auch ein weiterer Tag seines „neuen“ Lebens. Der 60-Jährige aus Schwerte-Villigst trägt seit April 2019 sechs Mal pro Woche die Ruhr Nachrichten aus. Seine Geschichte beginnt aber viel früher.
„Ich war mein ganzes Leben schon immer ein bisschen moppelig“, beschreibt Reiner Teistler sich selbst. Das Jahr 2014 war bei ihm geprägt von privaten Fehlschlägen, in dessen Folge er enorm an Gewicht zunahm. „Ich war im Prinzip körperlich ganz unten. Es ging gar nichts mehr. Zu der Zeit habe ich 160 Kilo gewogen.“ An Arbeit war nicht mehr zu denken. Mit einem professionellen Abnehmcoaching konnte er dann Gewicht verlieren, um überhaupt wieder bewegungsfähig zu sein, wie er sagt.
„Eigentlich hatte ich mich schon abgeschrieben. Da wieder rauszukommen, das war schwer. Der eigentliche Abnehmvorgang war gar nicht kompliziert. Der Vorgang da hinzukommen war das schwierige.“
Ursprünglich wollte Teistler Seniorenbetreuer werden. Aufgrund seines Alters entschied er sich dann doch für eine Bewerbung bei Lensing Logistik.
„Vor acht Jahren habe ich schon einmal für die Ruhr Nachrichten zugestellt und habe sehr positive Erfahrungen gemacht“, erinnert er sich. Teistler sagte sich immer: „Wenn alle Stricke reißen, es gibt immer noch die Ruhr Nachrichten. Und so war es dann wirklich.“
Im April 2019 wurde er wieder als Zeitungszusteller eingestellt. Diesmal sogar in seinem Heimatort Villigst, in dem er seit seinem dritten Lebensjahr wohnt. Teistler sieht das selbst als „beruflichen Neueinstieg.“
160 Kilo Körpergewicht
Ärzte sind zufrieden
Der Job als Zeitungszusteller war für ihn ein
„Probelauf“, um zu sehen, wie fit er wieder ist.
Bis dahin hatte Teistler bereits knapp 60 Kilo
abgenommen.
„Ich hab Bewegung ohne Ende, und das als
Diabetiker. Alle Ärzte machen nur noch den
Daumen hoch“, beschreibt der Schwerter die Zufriedenheit seiner Ärzte. „Mein Internist sagte kürzlich zu mir ‚Ihre Werte sind top, das können Sie auch Ihrem Beruf zuschreiben‘.“
Briefe kommen dazu
Nachdem Teistler mit seinem persönlichen Probelauf zufrieden war, fragte er an, ob es für ihn auch einen Job in Vollzeitform gäbe. Als ein Bezirk in der Briefzustellung frei wurde, suchte Teamleiterin Insa Schlüter-Wagener das Gespräch mit dem 60-Jährigen. „Ich habe mit Herrn Teistler darüber gesprochen, wie die Postzustellung aussieht und ob er sich das vorstellen könnte“.
Da der frei gewordene Zustellbezirk zufällig auch sein Heimatbezirk in Villigst war, sagte er sofort zu. So übernahm er dort im Oktober 2019 auch die Briefzustellung. „Natürlich mit den Anfangsschwierigkeiten, die jeder in seinem Job hat. Ich sah nur die riesigen Briefberge und dachte mir schon am zweiten Tag ich kündige“, sagt er und lacht. In der Zeit vor Weihnachten kam dann zu den normalen Briefen auch noch allerhand Werbematerial.
Aber: „Ich stelle die Zeitungen und die Briefe in der eigenen Heimat zu“, freut sich Teistler. Nach der Zeitungszustellung komme er erfrischt und voller Elan nach Hause, um sich anschließend der Briefzustellung zu widmen. Die Briefe sortiert er vorab auf einem großen Tisch, bevor die nächste Zustellrunde startet.
Unbefristeter Vertrag
Mittlerweile hat Reiner Teistler einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Mindestens bis zur Rente möchte er diesen Job auch weiter machen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich in dem Bereich so viel Spaß habe. Ich fühle mich sauwohl in dem Beruf und gehe jeden Tag motiviert zur Arbeit“. Auch Insa Schlüter-Wagener kann nur Gutes über Reiner Teistler sagen: „Er ist ein guter, zuverlässiger Mitarbeiter, macht eine gute Qualität und er kennt seinen Bereich. Ich bin rundum zufrieden.“ Sein Alter spielte für die Entscheidungen von Teamleiterin Schlüter-Wagener keine Rolle, Teistler ist dennoch der Überzeugung:
Selbstverständlich gibt es auch Tage, an denen es auch einmal weniger Spaß macht: „Klar, man ist Wind und Wetter ausgesetzt, aber jeder Job hat seine Vor- und Nachteile.“ Nasse Schuhe und eine nasse Hose gehören nun mal zum Job dazu, findet Teistler: „Da muss man durch.“ Die tägliche Bewegung sei ihm da einfach wichtiger. Seit seiner Arbeit als Zusteller hat er nämlich noch weitere 10 Kilo verloren.
„Woanders hätte ich keine Chance mehr gehabt. In dem Alter ist man für die Berufswelt fast schon abgeschrieben.“ Dann wird er fast lyrisch: „Die Ruhr Nachrichten haben mir den Wiedereintritt ins Leben ermöglicht.“
Teistlers Gewicht hätte sich dabei laut Schlüter-Wagener auch zu Beginn nicht negativ auf seine Arbeit ausgewirkt.
„Der Gewichtsverlust war für ihn natürlich positiv für die Gesundheit aber auch durch die Bewegung jeden Morgen ist es eine Win-Win-Situation“, findet die Teamleiterin. Reiner Teistler betont: „Der Prozess ist immer
noch nicht abgeschlossen. Ich bin immer noch dabei abzunehmen.“ Der Schwerter fasst zusammen: „Ein super Team, ich komme mit allen Kollegen super klar. Super Arbeitsplatz, super Betriebsklima. Was will man mehr?“
Dennis Görlich